Der Verstand und seine Gedanken
Im Buch des bewusst seins, wird die Funktionsweise des Verstandes betrachtet, so wie der Frage nachgegangen, wie der Verstand unser Bewusstsein beeinflusst. (Das Buch des bewusst seins: Kapitel 5, mentales bewusst sein)
Ist es möglich, nicht zu denken?
Lange fällt uns nicht auf, wie sehr uns unsere Gedanken beeinflussen
Seit wir denken können, denken wir. Daher hinterfragen wir unser Denken über einen langen Zeitraum nicht. Denken wird zu einem normalen Zustand für uns, zu denken ist uns zutiefst vertraut. Weil uns ständig Gedanken begleiten, bauen wir eine Verknüpfung zwischen uns selbst und dem Verstand auf. Wir gehen davon aus: Wir sind es, die denken. Ab dem Augenblick in dem wir beginnen, die Gedanken persönlich zu nehmen, identifizieren wir uns mit dem Verstand. Sobald wir uns mit dem Verstand identifizieren, stellen wir ihn nicht mehr in Frage. Somit fällt uns nicht auf, wie sehr wir vom Verstand beeinflusst werden.
Weder der Verstand, noch sein Denken ist schlecht
Einen gut funktionierenden Verstand zu haben, ist günstig für unser Leben. Mit seinen Informationen hilft er uns unser Leben zu organisieren und zu bewältigen. Wollen wir zum Zug oder den Flieger erreichen, ist es günstig auf Verstandesinformationen zurückgreifen zu können. Wo sind wir, wo müssen wir hin, welchen Weg wählen wir um dahin zu kommen, wann fährt der Zug oder startet der Flieger,… Wollen wir unsere Wäsche waschen oder kochen ist es gut, wenn wir wissen, welche Handgriffe wir in welcher Reihenfolge ausüben sollen. Weiter günstige Informationen des Verstandes wären beispielsweise: zu wissen was die einzelnen Verkehrsregeln bedeuten, eine gemeinsame Sprache zur Kommunikation zu haben, Dinge hinterfragen, analysieren oder reflektieren können…. All dies sind Funktionen des Verstandes, ohne die wir ziemliche Probleme hätten.
Manchmal sind unsere Gedanken also sehr nützlich, andere Male wiederum können sie uns auch stören. Dann machen sie uns Angst, verunsichern uns, lassen uns zweifeln, behindern ein Ein- oder Loslassen, usw.
Langsam erkennen wir die Beeinflussung durch den Verstand
Erst wenn wir anfangen, uns mit dem Verstand zu beschäftigen, verändert sich unser Bezug zum Verstand. Wir gewinnen eine erste Distanz zu den Gedanken und fangen an, sie zu beobachten. Sobald wir unser Denken auch nur ansatzweise beobachten können, wird offensichtlich, wie dominant sich der Verstand auf uns auswirkt.
Die Gefahr besteht, dass wir den Verstand sowie sein Denken negativ bewerten
Die Erkenntnis, dass der Verstand unser Leben massiv prägt, missfällt uns. Zu begreifen, dass unsere Entscheidungen, unser Verhalten, wie unser Gefühlszustand von unserem Denken beeinflusst wird, passt nicht zu unserer Vorstellung von einem selbstgestalteten Leben.
Zu diesem Zeitpunkt haben wir zwar den Einfluss des Verstandes auf uns erkannt, aber seine Funktionsweise noch nicht verstanden. Der Verstand wird stets bewerten. Sind wir uns dieser Funktion nicht bewusst, führt dies dazu, dass wir den Impulsen des Verstandes abermals blindlings nachlaufen. Ein klassisches Anzeichen, dass wir dem Verstand folgen, ist: Wir bewerten. Im konkreten Falle bewerten wir das Denken negativ. Die negative Bewertung löst ein Abwehrverhalten in uns aus. Wir wollen kein Sklave unseres Verstandes sein und glauben, die Lösung besteht darin, das Denken zu beenden. Doch geht das überhaupt? Sind wir überhaupt in der Lage, nicht zu denken?
Keiner denkt durchgehend
Obwohl es uns oft so erscheint, denken wir nicht durchgehend. Wir haben Momente, in denen wir nicht denken, in denen der Verstand stillsteht. Meist bekommen wir diese Momente allerdings nicht bewusst mit. Während der Verstand im Traum noch aktiv ist, hört im Tiefschlaf jegliches Denken auf. In Momenten, in denen wir uns in einer Sache verlieren und alles andere vergessen, hören wir ebenfalls zu denken auf. Dies kann durch den Anblick eines Sonnenuntergangs, einem flow-Zustand, einer Selbstvergessenheit in einer gleichbleibenden Tätigkeit oder auch während einer Schrecksekunde sein. Nicht zu denken ist keine hohe Kunst, welche nur durch viel Übung erreicht werden kann. Gedankenlose Momente finden wir tatsächlich in unserem Alltag wieder. Meist sind sie kurz und werden automatisch ausgelöst.
Sind wir in der Lage, willentlich nicht zu denken?
Nein. Der ich-bezogene Wille entspringt dem Verstand, hat also dieselben Wurzeln wie die Gedanken. Wir können den Verstand nicht zur Ruhe zwingen, indem wir uns vornehmen, nicht mehr zu denken. Wollen wir nicht denken, erzeugen wir einen Gedanken, womit wir den Verstand füllen. Doch nur ein leerer Verstand ist gedankenlos.
Wie entspannt ist unser Verstand?
Bemühen wir uns nicht zu denken, wird uns dies nicht gelingen. Ein gedankenloser Zustand stellt sich nur ein, wenn der Verstand leer ist. Zwei Wege führen in den leeren Verstand:
- Wenn wir uns in einem Ausnahmezustand befinden, in dem unser Verstand nicht mehr denken kann oder keine Zeit zum Denken mehr hat. Wenn es beispielsweise gerade existenziell wird, um unser Überleben geht, ein plötzlich auftauchendes unerwartetes Ereignis oder eine hohe Gefühlsintensität.
- Wird der Verstand ruhiger, fängt er an sich zu entspannen und wird zunehmend leerer.
Wollen wir nicht denken, schaffen wir eine innere Anspannung. Sobald ein Wollen vorhanden ist, herrscht eine psychische Anspannung. Die Erfahrung zeigt uns:
Je entspannter wir sind umso leerer wird der Verstand, je angespannter wir sind, umso mehr Gedanken tummeln sich im Verstand. Je mehr wir uns also bemühen, nicht zu denken, umso sinnlosere Gedanken wird der Verstand produzieren.
Wenn wir nicht aufhören können zu denken, was können wir dann tun?
Weder der Verstand noch sein Denken ist das Problem. Denken ist eine normale Funktion des Verstandes. So wie wir atmen um Luft zu bekommen oder verdauen, um die einzelnen Anteile der Nahrung für uns nutzbar zu machen, so denkt der Verstand und stellt uns damit Informationen zur Verfügung oder verarbeitet sie.
Der Verstand wird Gedanken produzieren. Entscheidend ist nicht ob wir denken, sondern wie wir auf die Gedanken reagieren. Folgen wir automatisch den Gedankengängen, überlassen wir dem Verstand die Herrschaft. Wollen wir das Denken verhindern, beherrscht uns der Verstand ebenfalls. Wir drehen uns weiterhin um den Verstand. Während wir vorher automatisch den Gedanken folgten, erklären wir dem Denken nun den Kampf. Doch wer will das Denken verhindern? Dieser Wunsch entspringt dem ichbezogenen Willen des Verstandes, der nun auf einmal das Denken negativ bewertet und ablehnt.
Folgen wir dem Verstand entfernen wir uns vom Bewusstsein. So lange wir keine Ahnung vom Verstand haben, folgen wir zwangsläufig seinen Gedanken. Erkennen wir unsere Verstandesdominanz, wehren wir uns dagegen. Nun wollen wir den Gedanken nicht mehr nachlaufen. Ohne uns dessen bewusst zu sein, folgen wir damit jedoch weiterhin dem Verstand. Denn dieser ist es, der uns die Idee unterbreitet, die Lösung würde darin bestehen, dass wir ab nun nicht mehr denken. Also bemühen wir uns nicht mehr zu denken. Dieses Unterfangen ist allerdings zum Scheitern verurteilt.
Viel günstiger ist es zu lernen, die Gedanken wieder zu dem werden zu lassen, was sie immer schon waren. Gedanken sind Informationen des Verstandes. Mit seinem Denken setzt der Verstand ein Informationsangebot, er zeigt uns seine Sicht der Dinge. Ob wir diese Sichtweise übernehmen und darauf reagieren oder nicht, sollten wir selbst entscheiden. Der Verstand gleicht einem Sekretär, der uns seine Empfehlungen zu den einzelnen Themenbereichen vorlegt. Diese Information kann richtig und günstig für uns sein, sie kann aber ebenfalls fehlerhaft oder gar falsch sein. Wir können unserem Verstand nicht alles glauben.
Geben wir der Information des Verstandes nicht mehr so viel Gewicht, gewinnen wir mehr Gelassenheit. Werden wir gelassener, wird auch der Verstand langsam ruhiger. Fängt der Verstand an sich zu beruhigen, wird er leerer. In einem leeren Verstand sind keine Gedanken mehr vorhanden.