Sind wir bewusst, verliert die Psyche ihre Auswirkung auf uns


So lange wir nicht bewusst sind, reagieren wir automatisch auf die psychischen Impulse.

Die Reaktion aus dem Verstand heraus – die mentale Reaktion
Unser Verstand gleicht einem Computerprogramm, welches in der Vergangenheit entwickelt wurde. Anfangs sammelt der Verstand nur Informationen. Es baut sozusagen eine innere Datenlage auf. Der Verstand sammelt sämtliche Informationen, die er vorfindet. Wie beispielsweise über uns selbst, über die Eltern, über Gegenstände oder über unser Leben. Hat der Verstand ausreichend Informationen gesammelt, beginnt er mit diesen Informationen zu arbeiten. Er vergleicht die aktuelle Situation mit seinem inneren Datenspeicher, analysiert, sucht Zusammenhänge, speichert neue Informationen ab, baut Vorstellungen über das was geschehen könnte, über die Zukunft auf, usw.  Der Verstand ist auf Effizienz ausgerichtet. Es wäre nicht effizient, alles jedes Mal neu zu erlernen oder zu verarbeiten. Daher vergleicht er alles mit seinem vorhandenen Datenbestand. Kann er auf Informationen zurückgreifen, nimmt er nicht mehr wahr, sondern wechselt zu seinen inneren Programmen.

Anfangs achten wir noch auf die jeweilige Erfahrung, die wir machen. Doch je mehr Informationen sich im Verstand befinden, umso mehr involviert sich der Verstand. So betrachten wir vertraute Situationen häufig nur noch über den Verstand. Nehmen wir über den Verstand wahr, nehmen wir nicht mehr wirklich wahr. Der Verstand sucht nach – für ihn erkennbaren – Mustern und schließt dann auf die Situation. Wir achten sozusagen nicht auf das, was in der Situation passiert, sondern darauf welche Informationen unser Verstand zu diesem Thema abgespeichert hat. Jemand kommt beispielsweise wütend auf uns zu. Der Verstand bringt diese Wut in Verbindung mit unserem cholerischen Vater, woraufhin wir nervös werden und zurückweichen.  Wir achten also nicht mehr darauf was jetzt wirklich passieren würde, sondern reagieren aus einem inneren Muster heraus.

Der Verstand greift immer auf den alten Datenbestand zurück. Nur wenn wir noch keine Informationen zu diesem Thema haben, sind wir noch offen. Ansonsten glauben wir bereits zu wissen und überprüfen in der Situation nicht mehr, ob unser Wissen überhaupt stimmt. Jetzt haben wir allerdings ein Problem: Unsere innere Datenlage mag richtig sein, sie kann aber auch fehlerhaft oder gar falsch sein. Wie ein Computer trifft der Verstand nämlich keine Unterscheidung, ob er mit richtigen oder falschen Daten gefüttert wird.

Verstandesinformationen sind immer Ausdruck unserer vergangenen Erfahrungen und fremden Wissens, also jenen Informationen, die uns andere gaben. So lange wir über den Verstand wahrnehmen, sind wir von fremden Wissen wie unserer Vergangenheit beeinflusst. Denn der Verstand holt die alten Informationen hervor und verknüpft sie mit der Gegenwart. Wird unsere Reaktion vorwiegend über den Verstand gesteuert ist, entkommen wir unserer Vergangenheit nicht. Wir wiederholen unsere Geschichte. Wir wiederholen Zuschreibungen, auch wenn sie falsch sind, treffen ständig dieselben Annahmen oder Interpretationen, wir laufen den vertrauten Vorstellungen nach oder agieren unsere Muster aus.

Die Reaktion aus dem Gefühl heraus – die emotionale Reaktion
Während der Verstand erst aufgebaut wird, kommen wir bereits mit einer emotionalen „Grundausstattung“ zur Welt. Erste gefühlsmäßige Rohversionen sind Lust- und Unlustgefühle. Aus diesen emotionalen Grundformen entstehen weitere Gefühle. Basisemotionen sind beispielsweise Trauer, Wut, Freude oder Ekel. Die Anlage für die Basisemotionen bringen wir mit. Basisemotionen finden wir bei allen Menschen, überall auf der Welt wieder. Sie stehen in einer direkten Verbindung zum Körper – alle die Trauer empfinden, zeigen denselben körperlichen Gesichtsausdruck.

Haben wir einen Verstand aufgebaut, erwerben wir sekundäre Gefühle. Dies sind jene Gefühle, welche über den Verstand ausgelöst und gesteuert werden, wie beispielsweise Kränkung, Neid, Eifersucht oder Schuld- und Schamgefühle. Die sekundären Gefühle kommen aufgrund einer Interpretation der Situation zustande. Sie sind familiär wie gesellschaftlich geprägt und kulturell unterschiedlich. Wir schämen uns nicht alle für dasselbe.

Gefühle drücken unsere emotionale Reaktion „auf etwas“ aus. Die emotionale Reaktion kann sich auf die aktuelle Situation beziehen, dann greift sie den emotionalen Gehalt der Situation auf. Wir können aber ebenso auf den Verstand, auf seine Gedanken und Vorstellungen reagieren. Die Gedanken lösen Gefühle aus. Haben wir beispielsweise negative Gedanken, können wir depressiv werden, haben wir bedrohliche Gedanken oder Szenarien im Kopf, können wir Angst bekommen, haben wir zweifelnde Gedanken, können wir unsicher werden. Die Gedanken mögen zur aktuellen Situation passen, sie können aber auch ziemlich unpassend sein. Dann haben wir beispielsweise Angst, obwohl wir uns in keiner gefährlichen Situation befinden.

Reagieren wir primär aus dem Gefühlszustand heraus, lenken die jeweiligen Gefühle unser Verhalten. Sind wir eifersüchtig, machen wir unserem Partner eine Szene, sind wir glücklich, umarmen wir ihn, sind wir traurig, ziehen wir uns zurück. Der aktuelle Gefühlszustand bestimmt unsere Wahrnehmung von uns selbst und den anderen, wie unser Verhalten.

Die Reaktion aus dem Körper heraus – die körperliche Reaktion
Der Körper reagiert primär aus sich heraus, er bezieht aber auch die aktuelle Situation und Umgebung mit ein. Hat der Körper Hunger oder ist er müde, sendet er entsprechende Signale. Er reagiert aber ebenso auf die aktuellen Gegebenheiten: Ist es draußen kalt, wird er frieren. Körperliche Bedürfnisse dienen dem Überleben. Sind sie unbefriedigt, drängen sie massiv in den Vordergrund. Sind sie befriedigt, ist der Körper ruhig.

In unserer Entwicklung lernen wir, die körperlichen Bedürfnisse über den Verstand zu steuern. Ein kleines Kind kann noch schlafen, wenn es müde ist, schreien, wenn es sich unwohl fühlt. Doch schon bald lernen wir ein gesellschaftlich angepasstes Verhalten. Üblicherweise lernen wir, den Körper über den Verstand zu übersteuern.

Der Großteil unserer Reaktionen wird damit von der Psyche und nicht vom Körper gesteuert.

Die Reaktion aus dem bewusst sein heraus – die bewusste Reaktion
Die Psyche wird reagieren, sie kann gar nicht anders. Aber wir könnten anders. Wir müssten nicht automatisch auf die psychischen Impulse reagieren. So lange wir nicht bewusst sind, reagieren wir aber automatisch auf die Psyche. Das ist der größte Unterschied zwischen einem bewussten und einem nicht bewussten Menschen. Der bewusste Mensch reagiert nicht mehr automatisch auf seine psychischen Impulse, während der nicht bewusste Mensch häufig zu einem Spielball seiner psychischen Impulse wird.

Um aus der automatischen psychischen Reaktion aussteigen zu können, müssen wir wieder bewusster werden. Der erste Schritt der Bewusstwerdung beginnt mit dem Beobachten. Durch das Beobachten fangen wir an zu erkennen, was uns antreibt, worauf wir überhaupt reagieren. Können wir dies erkennen, können wir aus dieser Dynamik aussteigen.

Weitere Details finden Sie im Buch des bewusst seins.
©  Mag. Brigitte Fuchs